Über die die Notwendigkeit der kollektiven Idschtihad
Unsere islamische Gemeinde leidet unter den absurden Fetwas und Meinungen. Inkompetente Scheingelehrte und Nichtfachleute, die sich ausschließlich für Ruf, Berühmtheit und Ansehen interessieren, suchen fiberhaft nach absurden und ungewöhnlichen Meinungen, damit sie die Menschen zu sich anziehen und damit sie ihrem eigenen Interesse und ihren Organisationen dienen.
Heutzutage begegnen wir einer neuen komplexen Situation, wo sich viele Fragen ineinander verflechten. Einige dieser neuen Fragen stehen nicht im Einklang mit früheren Fetwas und den Meinungen früherer Gelehrten. Denn diese erteilten ihre Fetwas gemäß dem Geist ihrer Zeit und ihres Ortes. Nichtfachleute und Scheingelehrte verstehen jedoch nicht den Bezugsrahmen dieser Fetwas und die Bedingungen, von denen diese Fetwas abhängig sind (al-manāṭ). Sie beziehen die alten Meinungen auf unser Leben, ohne den neuen Kontext und die heutigen Bedingungen genau zu kennen und zu untersuchen. Sie sind darüber hinaus mit den Voraussetzungen des Analogieschlusses nicht im Klaren. Aus diesem Grunde scheint heutzutage der kollektive Idschtihad (al-iğtihād al-ğmāʿī) eine Notwendigkeit zu sein, im Sinne dass die Geehrten gemeinsam im Rahmen der islamischen Rechtstheorie Normen durch eigenständige Urteilsbemühung finden.
Vor diesem Hintergrund kam der Ruf des Großscheiches der Al-Azhar Prof. Dr. Aḥmad aṭ-Ṭaiyib zum kollektiven Idschtihad (al-iğtihād al-ğmāʿī) in seinem Beitrag „Ansicht der Imame und Gelehrten zur Erneuerung des islamischen Diskurses und zur Aufhebung des terroristischen Denkens“ bei der Eröffnung der von dem Höchsten Rat für Islamische Angelegenheiten organisierten Konferenz.
Beim kollektiven Idschtihad geht es darum, dass Gelehrte, die sich für Probleme und Herausforderungen der islamischen Gemeinde interessieren, aus der ganzen Welt eingeladen werden, um aktuelle akute Fragen zu diskutieren. Dazu gehören Fragen des Terrors und der Begriffsbestimmung von „Haus des Islam“, aber auch wie man das Problem bekämpft, dass sich einige (Muslime) Gewaltgruppen anschließen, Gewalt gegen die Gesellschaft treiben und sie hassen, sich selbst erlauben, andere Bürger zu töten und bombardieren. Auch folgende Themen sollten beim kollektiven Idschtihad zur Diskussion gestellt werden: Menschenrechte, menschliche Freiheit, soziale Fragen vor allem über Frauen, astronomische Festlegung des Beginnes der neuen Monaten im Mondkalender, Fragen der Pilgerfahrt vor allem der Zustand der Weihe in der Pilgerfahrt in Mekka (iḥrām) aus dem Ort Dschidda per Luft oder Land, die rechtlichen Bestimmungen bezüglich der zeitlichen Regelungen für das Steinenwerfen während der Pilgerfahrt und viele andere Fragen, die unmittelbar mit dem Schutz der Heimat, den Interessen und Bedürfnissen der Menschen in ihrer Zeit und Umgebung zu tun haben. Die Gelehrten sollten auch Fetwas erteilen, die die Arbeit als Pflicht machen und die Vernachlässigung und Faulheit verbieten. Man darf aber bei diesen heiklen Fragen nicht verallgemeinern und pauschalisieren, sodass nichts vor Ort und in Wirklichkeit ändert.
Der kollektive Idschtihad wird ohnehin sehr dazu beitragen, die absurden Meinungen zu und die Gründe für Terror beseitigen. Die Konferenz, die vom Höchsten Rat für Islamische Angelegenheiten organisiert wurde, fasste die Gründe des Terrors und der absurden Meinungen folgendermaßen zusammen:
- Verschlossenheit, Stagnation, blinde Nachahmung, Missverstehen bzw. das buchstäbliche Verstehen der Texte, Nichtberücksichtigung der Zielsetzungen der Scharia, das Nichtverstehen der allgemeinen Regeln der islamischen Gesetzgebung und das Beschäftigen der Nichtfachleute mit islamischen Angelegenheiten.
- Viele Gruppen und Organisationen nehmen die Religion als Handel und nützen sie aus, um politische und parteiische Interessen zu vertreten und gewinnen, indem sie ihr Interesse vor denen der Heimat und des Staates bevorzugten. Auch die formelle und politische Religiosität spielt dabei insofern eine Rolle, als sie die aufrichtige Religiosität, die eigentlich ausschließlich für Gott sein sollte, ersetzte.
- Kolonialmächten ist es gelungen, Anhänger für sie aus arabisch-islamischen Ländern zu manipulieren und zu gewinnen, sei es durch gegenseitige Interessen, unwahre Versprechen für einige Gruppierungen oder durch das sogenannte Kaufen von Loyalitäten.
Schließlich führt der kollektive Idschtihad zur Annäherung zwischen Gelehrten und beseitigt viele Gründe der Trennung und Zwietracht zwischen ihnen sowie die absurden, von der Norm abweichenden, irregehenden und terroristischen Gedanken.